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Mejes: Tagung unterstreicht Bedeutung historischer Höfe


Zukunft der Höfe diskutiert – LRin Kuenzer: „Spreche allen Mut zu, Erhaltung zu wagen“

Die Bedeutung von historischen Bauernhöfen für Identität und Landschaft sowie die Notwendigkeit von deren Erhaltung ist heute (21. Februar) bei einer Tagung in St. Ulrich noch einmal eindrücklich unterstrichen worden. Anlass der Tagung war der Abschluss der vom Museum Gherdëina lancierten Ausstellung „Mejes – Bauernhöfe in Gröden: Das Gedächtnis einer Landschaft“.

Politiker, Verwalter, Denkmalpfleger, Landschaftsplaner, Bauernvertreter, Eigentümer, Architekten, Lehrpersonen, Touristiker, Heimatpfleger und Forscher: Die Palette der Teilnehmer an der vom Museum Gherdëina organisierten Tagung im Kulturhaus von St. Ulrich war eine denkbar breite. Trotzdem war man sich über die Notwendigkeit der Erhaltung historischer Höfe als Zeugen der Vergangenheit und kulturelles Erbe einig.

So hob der St. Ulricher Bürgermeister Tobia Moroder heute die Bedeutung der Landwirtschaft, ihrer Tradition und Bauten für das Tal, seine Wirtschaft und nicht zuletzt für die Erhaltung der Landschaft hervor. Und Marie Theres Thaler, Präsidentin des Museum Gherdëina, unterstrich den Wert des Projektes „Mejes“ als Beitrag zur Kulturgeschichte der ladinischen Bevölkerung.

Mut zur Erhaltung

Einigkeit herrschte heute nicht nur über die Notwendigkeit der Erhaltung, sondern auch darüber, dass diese eine Herausforderung sei. So betonte Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer: „Eigentümern historischer Bauernhöfe erscheint es als eine große, manchmal sogar zu große Belastung, den Hof zu sanieren.“ Die Landesrätin betonte aber auch, dass sie zahlreiche Eigentümer kenne, die stolz darauf seien, an ihrem historischen Gebäude die Epochen und die Geschichten der darin wohnenden Menschen aufzuzeigen. „Daher spreche ich allen Mut zu, es zu wagen“, so Hochgruber Kuenzer.

Ähnlich argumentierte heute auch der ehemalige Leiter des Landesdenkmalamtes, Helmut Stampfer: „Für die Eigentümer eines Hofes stellt die Erhaltung des alten Baus heute keine Notwendigkeit dar. Es braucht eine Motivation“. Diese Motivation könne eine Wohnnutzung sein oder ein Urlaub im bäuerlichen Denkmal, so Stampfer. Nicht umsonst zielt das Projekt „Mejes“ des Museum Gherdëina darauf, neue Nutzungsformen für leerstehende historische Höfe zu finden.

Gesellschaftliche Aufgabe


Auf die besondere Architektur der historischen Höfe wies heute der ehemalige Architektur-Professor an der Uni Innsbruck, Joachim Moroder, hin. „Die alten Höfe sind mitunter die modernsten Bauten“, formulierte Moroder überspitzt und verwies dabei auf die Architektur der Höfe, die aus der Landschaft heraus entstanden sei. „Gebäude und Landschaft bilden eine Einheit“, so Moroder, der 2008 eine umfassende Bestandsaufnahme der Höfe durch das Museum Gherdëina angestoßen und unterstützt hatte.

Trotz ihrer von Moroder hervorgehobenen „Modernität“ verschwinden immer mehr historische Höfe. Um diese Entwicklung zu stoppen, braucht es – so war sich ein Großteil der Referenten heute einig – eine breite gesellschaftliche Front. „Die Pflege der Kulturgüter ist eine Querschnittaufgabe zwischen Kultur, Raumordnung, Landschaft und Umweltschutz“, so Karin Dalla Torre, Direktorin der Landesabteilung Denkmalpflege. „Es braucht einen interdisziplinären und gesellschaftspolitischen Ansatz für das materielle und immaterielle Kulturerbe, damit die Kulturgüter ihre identitätsstiftende Kraft für zukünftige Lebensqualität entfalten können.“

Sensibilisierung und Wertschätzung durch Wissen


Weil für einen solchen gesellschaftspolitischen Ansatz ein starkes Netzwerk gefordert ist, ist der gegenseitige Austausch aller Involvierten eine der Säulen des „Mejes“-Projektes des Museum Gherdëina. „Dazu kommt eine gezielte Forschungsarbeit, die wir in den nächsten Jahren noch intensivieren werden“, erklärt die Direktorin des Museums, Paulina Moroder. Gerade im Bereich der Haus- und Hofgeschichte läuft bereits ein mehrjähriges Studienprojekt des Historikers Josef Nössing und schon in den nächsten Monaten soll ein weiteres konkretes Forschungsprojekt angestoßen werden. „Je mehr wir über die historischen Gebäude wissen, desto höher steigt der Wert, den wir ihnen beimessen“, so Moroder.

Ein solcher Ansatz ist ganz im Sinne von Giacomo Menini, Architekt und Forscher an der Technischen Universität Mailand, der heute betonte, dass es in erster Linie um Sensibilisierung gehe. „Und das ist ein Punkt, der nicht nur den Gesetzgeber betrifft, sondern die gesamte Gesellschaft“, so Menini. Was es demnach braucht, ist ein Zusammenspiel zwischen einem gesellschaftlichen Dialog und einem effizienten Schutz der Höfe.

Dem Experten für alpine Kultur Annibale Salsa blieb es heute überlassen, ein Fazit der Tagung zu ziehen. „Um die Identität einer Gemeinschaft zu stärken, muss man zu ihren Wurzeln vorstoßen, zu jenen kulturellen Aspekten, die sie von allen anderen unterscheidet“, so Salsa. Die Alternative sei eine Gleichmacherei, die alles einebne, alles auslösche. Das heiße allerdings nicht, dass man nostalgisch an der Vergangenheit hängen, sondern die Tradition innovativ interpretieren müsse. „Die Zukunft“, so Salsa abschließend, „hat ein historisches Herz“.

Ausstellung schließt, Projekt geht weiter


Zwar hat das Museum Gherdëina mit der Abschlusstagung einen offiziellen Schlusspunkt hinter die Mejes-Ausstellung im Haus der Kultur in St. Ulrich gesetzt. Die Fotos von Václav Šedý sind allerdings noch bis einschließlich Sonntag für Besucher zu sehen. „Die Fotografie bleibt das effizienteste Mittel, um die Realität zu dokumentieren“, so Šedý, „und sie ist, was die Höfe betrifft, ein Instrument der Analyse einer außergewöhnlichen alpinen Kultur“. Ebenfalls noch bis einschließlich Sonntag besichtigt werden können auch die Projektarbeiten der Maturanten des Kunstgymnasiums „Cademia“ in St. Ulrich, die im Rahmen des Projektes „Mejes“ entwickelt worden waren.

Nach Abschluss der Ausstellung wird sie als Wanderausstellung auf Tour durch den Alpenraum gehen. Und auch das Projekt „Mejes“ wird fortgesetzt. „Gemeinsam mit den über dieses Projekt neu gewonnenen Partnern möchten wir weiter daran arbeiten, die junge Generation für die Bedeutung der historischen Höfe und für deren Erhaltung zu sensibilisieren“, betont Museumsdirektorin Moroder zum Abschluss.

Für weitere Informationen:
Paulina Moroder
Direktorin des Museum Gherdëina
Tel. +39 338 6040477
E-Mail: p.moroder@museumgherdeina.itMEJES / Bauernhöfe in Gröden. Das Gedächtnis einer Landschaft
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ABSCHLUSSTAGUNG

Freitag, 21.02.2020, 14.00 – 18.00 Uhr


Kulturhaus in St. Ulrich, Ausstellung „MEJES

Programm (Download)

PROGRAMM / PROGRAMMA

14:00
Registrierung / Registrazione (nur für Architekten*innen und Lehrer*innen notwendig / solo per architetti e insegnanti)

14:30
Grußworte / Parole di saluto
Tobia Moroder, Bürgermeister von St. Ulrich / Sindaco di Ortisei
Maria Hochgruber Kuenzer, Landesrätin für Raumentwicklung,
Landschaft und Denkmalpflege / Assessore allo Sviluppo del territorio, Paesaggio e Beni culturali


Einführung / Introduzione
Paulina Moroder, Direktorin des Museum Gherdëina / Direttrice del Museum Gherdëina
Václav Šedý, MEJES-Fotograf / Fotografo dei MEJES

15:00

Teil 1 / Prima parte
Grödner Bauernhöfe: Möglichkeiten der Erhaltung
Masi della Val Gardena: possibilità di conservazione

Karin Dalla Torre, Direktorin der Landesabteilung Denkmalpflege / Direttrice della Ripartizione Beni culturali
„Zukunft für die Vergangenheit: Ziele und Strategien der Denkmal pflege und des Denkmalschutzes in Südtirol“

Giacomo Menini, architetto e docente presso il Politecnico di
Milano / Architekt und Lehrender am Polytechnikum Mailand

“L’architettura rurale delle Alpi. Un patrimonio da conoscere e tutelare”

15:40
Stellungnahmen von / Considerazioni di
Georg Lardschneider, Ingrid Demetz, Vertreter der Bauernvereinigungen von Gröden / rappresentanti delle Associazioni contadine della
Val Gardena

Raffael Prugger, Eigentümer eines sanierungsbedürftigen Hofes / proprietario di un maso da ristrutturare

Diskussionsrunde mit / Tavola rotonda con
Maria Hochgruber Kuenzer, Tobia Moroder, Karin Dalla Torre, Giacomo Menini

16:10
Pause / Pausa

16:20

Teil 2 / Seconda parte
Bäuerliche Architektur und Landschaft im Spannungsfeld zwischen Tradition und Gegenwart
Architettura rurale e paesaggio tra tradizione e presente

Luisa Bonesio, già Professore Associato di Geofiosofia del paesaggio / ehem. Professorin für Geophilosophie der Landschaft
“Architettura e montagna: il paesaggio tra nostalgia e spettacolarizzazione”

Helmut Stampfer, ehem. Landeskonservator /già Soprintendente ai Beni culturali
„Alte Bauernhöfe: Kulturdenkmäler mit Zukunft“

17:00
Diskussion / Dibattito
mit / con
Annibale Salsa, Esperto di cultura alpina, membro della Fondazione Dolomiti-UNESCO / Experte für alpine Kultur, Vertreter der Stiftung Dolomiten-UNESCO
Sylvia Dell’Agnolo, Vertreterin der Kammer der Architekten R.L.D. Bozen/ Rappresentante dell’Ordine degli Architetti P.P.C. di Bolzano
Claudia Plaikner, Obfrau des Heimatpflegeverbandes Südtirol /
Presidente dell’Associazione Heimatpflegeverband Südtirol

Paolo Biadene, Amt für Landschaftsplanung / Ufficio Pianificazione paesaggistica

Moderation / Moderatore: Joachim Moroder, ehem. Univ.-Prof. Architekturfakultät Innsbruck / già Professore del Politecnico di
Innsbruck


17:50
Sintesi della Giornata
Annibale Salsa


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Zum Abschluss der Tagung laden wir zu einem Umtrunk.
Alla fine del convegno seguirà un rinfresco.


Tagungssprachen / Lingue del convegno
Deutsch und Italienisch / Tedesco e italiano

Eintritt frei / Ingresso libero
Keine Anmeldung erforderlich / Senza prenotazione

Akkreditierung / Accreditamento

Die Abschlusstagung ist von der Kammer der Architekten R.L.D. Bozen
akkreditiert (3 BFC) / La Giornata di studi è accreditata dall’Ordine degli
Architetti P.P.C. di Bolzano (3 CFP).

Konzept / Concetto

Paulina Moroder, Václav Šedý

Koordinierung und Organisation / Coordinamento e organizzazione
MUSEUM GHERDËINA
Paulina Moroder
p.moroder@museumgherdeina.it
M +39 338 6040477